Das 17. Jahrhundert (seicento bedeutet 600, meint aber die Zeit ab 1600) brachte eine Fülle von neuartigen, kühnen Klängen hervor, die mit den bis dahin gültigen Regeln der Harmonik und des Tonsatzes bewußt brachen. In der Vokalmusik, z.B. bei Gesualdo, war dies sogar leichter möglich als bei den grundtongebundenen Instrumenten. Denn die bis heute genutzte temperierte Stimmung entwickelte sich nach unzähligen Versuchen gerade erst. Freie Bahn also für Klangvisionäre wie eben der mörderische Fürst Gesulado di Venosa, der entlegenste Akkorde auf engstem Raum zusammendrängt und so Harmonien schuf, die erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt wurden Wagemutig auch unser Ensemble Seicento Vocale aus Münster: Sie werden ihren akribisch verfeinerten Ensembleklang den unvorhersehbaren Soundkaskaden den britischen Live-Elektronikers Richard Scott ausliefern. Außerdem trauen sie sich, was bei klassischen Ensembles eine echte Ausnahme ist: Improvisation! Denn ohne die ist Claude Viviers (1948-1983) epochale „Musik für das Ende“ nicht zu interpretieren. Wir sind sehr gespannt, wie die avantgardistischen Welten unterschiedlicher Epochen zusammenfinden. [moers festival]
Programm
Carlo Gesualdo (1566–1613), Responsorien für die Karwoche
Claude Viver (1948–1983), Musik für das Ende
Claude Vivier, Jesus erbarme dich!