Im zweiten Jahr nach Ausbruch der weltweiten Covid-19-Pandemie blickt Seicento vocale auf die die musikalische Verarbeitung der Krankheit, die in Mittelalter und früher Neuzeit verheerendste Auswirkungen auf Europa hatte: die Pest. Das Programm wird umrahmt von Stücken von Claudio Monteverdi, der über den Pesttod seines Sohnes persönliche Trauerarbeit leisten musste und sich auf der Suche nach Trost zum Priestertum wandte. Im Kern konzentriert sich die Konzeption auf Werke deutscher Komponisten des mittleren 17. Jahrhunderts, die beispielsweise unter dem Eindruck der auf die Wiener Epidemie folgenden Osmanenbelagerung entstanden (Kerll, Missa In fletu solatium obsidionis Viennensis) oder dem der Pestepidemie in Hamburg (Weckmann, Wie liegt die Stadt so wüste). Weckmanns geistlichem Konzert liegen die alttestamentarischen Klagelieder Jeremias zu Grunde. In Rosenmüllers Kantate Beschicke dein Haus wird Jesajas Bericht über die Krankheit Hiskias wiedergegeben, mit Gottes Zusicherung am Ende: „Steh auf und sei gesund“. Musikalisch-klanglich stehen die dunklen Farben der mehrfach besetzten tiefen Streicher virtuosen und aufwärtsstrebenden Motiven von Sänger*innen und Violinen gegenüber. Das Vokalensemble ist solistisch besetzt. Dadurch gehen stets vielseitiges und nuancenreiches Muszieren mit vollem Ensembleklang Hand in Hand. Das abwechslungsreiche Programm erschöpft sich nicht im Nachvollziehen von Trauer und der emotionalen Bewältigung persönlicher und
gesellschaftlicher Verluste, sondern findet durch Trost, Glaube und Dankbarkeit zu einem hoffnungsvollen Tonfall.
Programm
Claudio Monteverdi (1567–1643), Domine, ne in furore, aus: „Libro primo“ (1620)
Claudio Monteverdi, Gloria, aus: „Selva morale et spirituale“ (1641)
Matthias Weckmann (1616(?)–1674), Wie liegt die Stadt so wüste (1663)
Johann Caspar Kerll (1627–1693), Sinfonia, Kyrie, Credo, aus: „Missa in fletu obsidionis Viennensis“
Johann Rosenmüller (1619–1684) Beschicke dein Haus